Ausstellungseröffnung «Critical Zones»

Am Zentrum für Kunst und Medien ZKM in Karlsruhe ist vor wenigen Tagen die Ausstellung «Critical Zones – Horizonte einer neuen Erdpolitik» aufgegangen (die Online-Eröffnung fand im Mai statt). Ich komme gerade von einem Besuch zurück und bin völlig begeistert. Die Ausstellung dauert noch bis am 28. Februar 2021.

Ausstellung Critical Zones am ZKM in Karlsruhe
Critical Zones Observatory (CZO)

Aus dem vor Ort abgegebenen ‚Fieldbook‘:

«Sie betreten eine Kritische Zone! Es handelt sich dabei um einen von den GeowissenschaftlerInnen geprägten Begriff […]. Ganz gleich, ob man Wasser, den Erdboden, Pflanzen, Gesteine, das Wetter oder die Tierwelt erforscht – all diese Phänomene spielen sich in einem Bereich ab, der lediglich eine dünne Schicht umfasst im Vergleich zum gesamten Planeten Erde aus dem Weltall betrachtet. […] Innerhalb dieser dünnen, verletzlichen und hoch komplexen Kritischen Zone hat unser Verhalten zerstörerische Auswirkungen. […]
‚Kritisch‘ wird diese dünne Schicht […] deshalb genannt, weil sie in einen Zustand der Intensivbehandlung übergegangen ist. […] Wenn eine erkrankte Person auf eine Intensivstation eingeliefert wird, benutzen die Pflegekräfte zunächst verschiedene Instrumente, um einen Überblick über die wichtigsten Körperparameter zu erhalten […]. In gleicher Weise ist es notwendig, Critical Zone Observatories (CZO) für die Erde einzurichten. Wir habe uns für das Observatorium von Strengenbach entscheiden. Es wurde in den Vogesen in der Nähe des Dorfes Aubure eingerichtet.

Weiter geht es in der Ausstellung mit «Ghost Acreages» (unserem ökologischen Fussabdruck im Ausland), mit James Lovelock und Lynn Margulis, mit den Untersuchungen im Walliser Pfynwald (und deren akustischen Inszenierung durch Marcus Maeder), mit Ölgemälden u.a. von Caspar David Friedrich und mit der Entstehung von Souveränität oder «Erdpolitik»:

«Wenn wir über territoriale Souveränität sprechen, gebrauchen wir oftmals die Metapher der Erde. Doch warum lassen wir die Atmosphäre, die uns umgibt, bei der Frage nach den Hoheitsgebieten aussen vor? […] Wie sollten wir die Grenzen innerhalb der Kritischen Zone neu vermessen?»

Den Abschluss der von Bruno Latour und Peter Weibel kuratierten «Gedankenausstellung» macht ein kürzerer Teil unter dem Titel «terrestrisch werden», u.a. mit Beispielen aus dem Produktdesign.

Darwin oder Gaia? Diesen Sommer beschäftigen sich viele Ausstellungen mit Umweltzerstörung. «Down to Earth» im Gropiusbau in Berlin dreht sich dabei selbst den Strom ab. «Critical Zones» am ZKM in Karlsruhe spannt den Bogen von Humboldts Kosmos bis zu Forensic Architecture. Bericht in der Süddeutschen vom 20. August 2020

Die Ausstellung ist anspruchsvoll und man sollte für den Besuch am besten einen ganzen Tag einplanen. Die intellektuelle Investition lohnt sich aber extrem! Ein kleiner Teil der Ausstellung ist auch virtuell zugänglich.

Bei meinem Besuch herrschte kein Gedränge, der Eintritt kostet nur 7 Euro, das Angebot in der Cafeteria ist lecker, Karlsruhe ist eine entspannte Stadt mit preiswerten Unterkünften… Was braucht es mehr? Alles Praktische findet ihr hier.

Oliver Graf