Am vergangenen Sonntagmorgen ist zwischen den Bündner Dörfern Castaneda und Molina ein Felssturz niedergegangen. Über 400 Menschen seien seither «von der Umwelt abgeschnitten», wie SRF berichtet:

Von der Umwelt? Tatsächlich haben die Felsbrocken auf einer Länge von 150 Metern die Calancastrasse getroffen und teilweise zerstört:

Die Journalistin oder der Journalist reduziert die «Umwelt» der Bewohnerinnen und Bewohner des Calancatals damit auf einen rein menschlichen, mit dem Auto erreichbaren Ausschnitt der Welt.
Natürlich ist die unterbrochene Verbindung zu anderen Menschen eine existenzielle Bedrohung. Sie macht Abhängigkeiten sichtbar. Der Einsatz und die Mittel, mit der andere Menschen Rettung bringen, Barrieren aus dem Weg räumen, die Versorgung sicherstellen, demonstriert darüber hinaus eine Solidarität, ohne die auch im Calancatal kein Leben möglich wäre.
Doch wir sind nicht nur auf unseren Mitmenschen angewiesen. Auch die Abhängigkeit von der sogenannten «natürlichen Umwelt» ist existenziell. Dörfer und Städte teilen ein und dieselbe Atmosphäre. Wasser durchströmt die Täler sowohl ober- als auch unterirdisch. Vögel, Insekten und Pflanzensamen reisen ein und aus…
Die Bande zwischen Mensch und Mensch werden im Calancatal geprüfte durch eine Naturkatastrophe. Die Bande innerhalb der Biosphäre – egal ob Menschen an ihnen beteiligt sind oder nicht – werden derweil geprüft durch die menschengemachten Störungen des Klimas und der Biodiversität.
Eine Solidarität, wie sie im Calancatal sichtbar ist, muss deshalb über die rein menschliche Umwelt hinauswachsen. Ansätze gibt es – beispielsweise in Notre-Dame-des-Landes, wo Bewohnerinnen und Bewohner für sich reklamieren: Wir sind die Natur, die sich verteidigt!